Bergmännchen auf der Haglestä

Bild: Erdmännchenhöhle
Am Fusse der Haglestä ist eine Höhle, in der vor Zeiten Erdmännchen hausten. Nachts kamen sie den Bach herunter und machten den Leuten in der alten Mühle ihre Besuche. Da brachten sie dann Kunkeln mit und spannen um die Wette. Wenn es Mitternacht wurde, hörten sie auf und gingen heim. Hatte man auch die Uhr gestellt, dass man den Schlag nicht hören sollte, so waren sie zur bestimmten Stunde doch verschwunden. Besonders gegen die Kinder taten sie freundlich und schenkten ihnen manchen Edelstein, den man noch lange nachher bewahrt oder um hohes Geld verkauft hat. Ein armer Taglöhner arbeitete einst noch spät abends auf dem Felde, wenige hundert Schritte vom Dorfe entfernt. Da sah er ein Erdmännchen, schwebend wie ein Sommervogel, über die Höhe herunterkommen und sich bei ihm niederlassen.

Es grüsste artig und suchte ihm eine Schürze voll Kohlen aufzunötigen. Der Mann konnte nicht begreifen, was ihm das eitle Zeug nützen sollte, und war schon viel zu arbeitsmüde, um sich darüber in einen Disput einzulassen. Endlich, da das Erdmännchen mit Zureden nicht nachliess, nahm er ihm doch aus Gutmütigkeit ein Kohlenstück aus der Schürze und steckte es ein. Das Bergmännchen ging nun wieder weiter, aber es dünkte den Mann, es sehe nicht mehr so zufrieden aus wie vorher. Als der Tauner am folgenden Morgen sich ankleidete, fühlte er noch das Kohlenstück in seiner Tasche stecken und wollte es wegwerfen. Aber wie staunte er, als er statt dessen ein ebenso grosses Goldstück herauszog. Jetzt verstand er die gestrige Dringlichkeit des Wohltäters. Gleichwohl ist er nachher ein reicher Mann geworden. Eine Frau aus Magden ging einst zu den Erdleuten auf Besuch. Sie wurde freundlich aufgenommen und bewirtet. Beim Abschied schenkten ihr die Männchen eine Schürze voll Laub. Erzürnt über die geringe Gabe warf sie diese ausserhalb des Waldes weg. Als sie nach Hause kam, bemerkte sie noch einige Blättchen am Schürzenrand hängen. Als sie diese mit der Hand auch noch abstreifen wollte, verwandelten sie sich in eitel Gold. Nun kehrte sie freilich schleunigst um, konnte aber die weggeworfenen Blätter nicht mehr finden. Aber auch die kleinen Wohltäter blieben seither verschwunden. Die Männchen waren Meister im Backen von Kuchen und Torten, und oft fand der Bauer am Morgen auf seinem Acker die schönste Rahmtorte oder die grösste Zwiebelwähe herrlich duftend liegen. Ein vierzehnjähriger Knabe geriet einst beim Holzfällen durch Zufall in die Nähe jener Höhle und wurde dort mit Rahmwähen, Butterschnitten und Kuchen aufs allerbeste bewirtet.

Einige Zeit später kam ein anderer Knabe in jenes Revier, und immer war ihm, als ob ihm da ein Geruch von Backwerk in die Nase stiege. Gleich fand er auch einen Eierkuchen, der so breit wie der ganze Baumstamm war, auf dem er wie auf einem Teller hergerichtet lag. Aus Hunger riss der Bube den Fladen in zwei Stücke, und in dem Augenblicke standen die Männchen vor ihm, nahmen ihn mit in ihre Höhle hinauf, zeigten ihm alle künstlichen Gewölbe und setzten ihm ganze Trachten der allerbesten Speisen vor. Weil er sehr ermüdet war, schlief er schnell bei ihnen ein. Am Morgen lag er Zu Hause in seinem Kämmerlein, seine Waldaxt aber neben ihm im Bette, in einen gewaltigen Laib Brot geschlagen. Als er den Laib anschnitt, fiel eine solche Zahl Goldstücke heraus, dass er einer der vermöglichsten Männer in der Gemeinde wurde. So taten die Männchen mancherlei Gutes, bis die Neugier der Leute sie vertrieb. Denn die Müllerin wollte schon lange gern wissen, ob diese Männchen Füsse hätten oder nicht, und hatte ihnen in der Spinnstube Asche unter Tisch und Bank gestreut. Sie merkten den Verrat und verschwanden unter dem Rufe: «Lauf, Küngi, lauf, die Welt ist falsch und taub!»